Wandersafari in Sambia: Der Blues des Busches

Veit Erben und Alessandra König von Outdoor Passions reisten im September gemeinsam nach Sambia zu einer Wandersafari. Was sie dort alles erlebten, lesen Sie hier in der Spiegel-Reportage von Andrea Jeska: "Wandersafari in Sambia - Der Blues des Busches"

Ein Löwe und 20 Jeeps - so sieht eine Safari gewöhnlich aus. Doch zu Fuß durch die Savanne? Im Idealfall bringt so eine Tour in Afrikas Wildnis das Beste im Menschen hervor.

Die Briten wussten wie man Safari macht. Mit Stil. Stets im Modus der Überlegenheit. Jener, des Menschen über die Natur, über die Tiere, selbst dem Staub und der Hitze waren sie überlegen in ihren schnieken Hosen und Safarishirts, ihren Leinenanzügen und Hüten, mit ihren Ledertaschen und dem Safarigeschirr. Um fünf Uhr nachmittags tranken sie Tee.

Um fünf Uhr am Nachmittag haben wir zum wiederholten Male an dem Tag den Fluss durchquert. Kein großes Ding, der Mupamadzi, ein Nebenfluss des Luangwa,  führt im Frühjahr kaum Wasser, die Krokodile haben sich schon zu Beginn der Trockenzeit in die schlammigen Nebenarme zurück gezogen und das schlimmste, was einem bei so einer Überquerung passieren kann, ist dies: man versinkt in einer Fußspur, die zuvor ein Elefant in den weichen Sand gesetzt hat.

Allerdings führt der Fluss nicht so wenig Wasser, dass man ihn mit Schuhen und Strümpfen durchqueren kann. Nun hat Barfüßigkeit selten etwas distinguiertes, sondern sieht eher nach Büßertum aus, so very british jedenfalls gar nicht. Dennoch wüsste der britische Safarist sicherlich,  wie man stilgerecht wieder in Strumpf und Schuhe kommt. Wir aber nicht. Keiner von uns fünf, die wir zu Fuß das Buschland im South Luangwa Nationalpark von Sambia durchqueren und dabei mal zur einen, mal zur anderen Seite des Flusses  mäandern, hat britisches Blut in den Adern. Selbst Jason, unser heldenhafter und allwissender Führer über Ebenen und Hügel, durch Unterholz und Wasser, hat italienische Eltern. Immerhin hat er an Handtücher gedacht. Und so sieht man die Mitglieder unserer Expeditionsgruppe wackelnd auf einem Bein balancieren, während das andere entsandet wird. Einer von uns verliert immer die Balance und plumpst zu Boden oder zurück ins Wasser. Und wenn wir endlich im Camp ankommen,  ist die blaue Stunde vorüber und wir können nahtlos zum Gin Tonic übergehen.

Wir sind von Deutschland nach Lusaka, Sambias Hauptstadt, geflogen und dann in die kleine Stadt Mfuwe, wo beim Anflug einige Impala graziös über die Landebahn schritten, als sei das hier ihr Laufsteg.  Dann eine Übernachtung im festen Camp, eine Fahrt nach Norden, immer schmalere Wege, keine Mensch mehr außer uns, keine Geräusche mehr außer denen des Buschs. 

Leave no trace

Es gibt ja Safaris, da macht es nichts, wenn man sich unbritish benimmt. Da ist man unter anderen Touristen und alle wollen die Big Five sehen und cruisen in ihren Jeeps von Wasserloch zu Wasserloch.  Und dann gibt es Safaris, auf denen man sich fühlt, als sei man wieder in jenen Tagen, als der weiße Mann (selten die weiße Frau),  den Busch eroberte. Auf solchen Safaris ist es fast ein Verstoß gegen das gute Benehmen, wenn man um fünf Uhr nachmittags  am Flussufer eine lächerliche Figur abgibt, statt mit, Fernglas und Hut im Nacken im klappbaren Safaristuhl sitzen. In so einem, in dem auch schon Hemingway saß. Der war zwar Amerikaner, aber in Safaridingen benahm er sich sehr englisch. Es gibt Gerüchte, er sei es gewesen, der das Suaheli-Wort Safari, was Reise bedeutet, erst in die englische  Sprache einführte. Fortan definierte man dieses als eine Expedition, um Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu jagen oder zu beobachten.

Unsere kleine Reisegruppe ist nicht in Sambia, um zu jagen, dergleichen Dinge gelten im South Luangwa Park, dem wichtigsten unter dem guten Dutzend Nationalparks , als verpönt. Wir sind für das Beobachten hier. Das spurlose. Unsere Expedition steht unter der Überschrift: Leave no trace, hinterlasse keine Spur. Um der Tiere, aber auch um der Menschen willen. Denn wo der Mensch ist, da will das Tier nicht sein und sucht sich andere Gebiete. Deshalb reisen wir mit einem mobilen Camp, das auf- und wieder abgebaut wird während wir wandern. Wenn wir zum Tee ankommen, dann stehen da schon unserer Zelte  mit Betten und Solarlicht. Und vor dem Zelt steht ein Dreibein und darauf eine Waschschüssel und daneben eine Kanne mit heißem Wasser und dann gibt es noch eine Buschdusche, also einen Sack, der mit heißem Wasser gefüllt wird, und es gibt ein mobiles Klohäuschen mit einer richtigen Kloschüssel und einem Eimer mit Sand und einem Spaten damit man wieder zuschaufelt, was man abgesondert hat.

Handtuchträger und Vogelbuch-Blätterer

Wandersafari, das bedeutet, viele Kilometer mit heißen Füßen in dicken Schuhen, Tonnen von Staub in allen Poren, Dornenäste im Gesicht, nervige Moskitos, aufdringliche Fliegen. Löwe und Leopard hören uns immer so rechtzeitig, dass sie abhauen, nix is mit Aug in Aug mit dem Raubtier. Dafür  sammelt man so viele Erlebnisse, dass sie erst durcheinanderpurzeln wie ein Kaleidoskop und sich dann fügen zu einem Bild der Ganzheitlichkeit. Alles ist eins, das ist die größte Weisheit, die wir am Ende mit nach Hause nehmen.

Doch nie sind wir zum Tee zurück.  Schuld sind die Elefanten, die so possierlich im Fluss baden und weil wir sie nicht stören wollen, kreuzen wir weiter flussabwärts. Schuld ist Jason, der an keinem Vogelnest und keinem Kothaufen, an keinem herumliegenden Knochen, ja, nicht einmal an einem Termitenhügel oder Blatt vorbeigehen kann, ohne uns um sich zu scharen und uns zu erklären, was, warum und wie all dieses sei. Jason ist alles. GPS- und Handtuchträger, Lunch-Picknick-Bereiter und Vogelbuch-Blätterer. Vor allem aber ist er rundum gebildet, nicht nur, was die Fragen der Ökologie, Geographie, Ornithologie und viele weitere -ies angeht, sondern auch in Geschichte, Safarilatein und in Tier- wie auch Menschenkenntnis. Jason kann reden und ein Tier in der Nähe atmen hören. Er sieht Dinge, die unseren Augen nicht nur entgehen, nein, meist stolpern wir direkt darüber. Wir sind blind, zivilisationsblind und Jason lehrt uns sehen.

Safari, sagt Jason einmal zu uns, bringt das Beste im Menschen hervor. Walking-Safari, ergänzen wir diesen Spruch später, bringt das Allerbeste im Menschen hervor.

Der Löwe ist immer einige Schritte voraus

Der Vater aller Walking Safaris im südlichen Afrika ist ein Mann namens Ropin Pope. Er wurde in Sambia geboren, hatte  eine Leidenschaft für Busch und Tiere, stieg er in den 40ern in das Safari-Geschäft ein. Damals bedeutete Safari: Jagen. Weder die Tiere noch die einheimische Bevölkerung hatten Rechte. Pope wollte das ändern. Wenn Jagd, dann höchstens mit dem Fotoapparat. Er war seiner Zeit weit voraus.

In der Safariwelt werden Leute wie Pope mit Respekt genannt. Hemingway, Roosevelt, ja, selbst der unerschrockene David Livingstone,  waren auf die Expertise ihrer Guides angewiesen.  Mit diesen stand und fiel jede Expedition, jede Safari. In die Geschichtsbücher gehen die Guides selten ein, auch wenn sie es sind, die Gefahren abwenden, die großen Tiere aufspüren.

Auch Jason findet die Büffel, die einsamen Elefantenbullen, die scheuen Kudu. Dass der Löwe uns immer einige Schritte voraus ist, wir zwar seine Spuren sehen,  mehr aber auch nicht, macht uns nichts aus, weil wir auch ohne Löwe den ganzen Tag über alles staunen.

Abends schlemmen wir.  Wie es unter den Umständen – alle zwei Tage zieht das gesamte Camp um – möglich ist, Drei-Gänge-Menüs zu kochen, Brot und Kuchen zu backen, erfahren wir, als wie uns hinter die Kulissen, also hinter eine dichte Buschreihe, begeben. Dort finden wir Feuerstellen, Grillroste, Räucherofen, Erdofen. Und sogar einen Angestellten mit einem Kohlbügeleisen.

Und dann endlich machen wir auf Hemingway. Sitzen in Safaristühlen um das Feuer, Whiskeyglas in der Hand, die schmerzenden Füße von uns gestreckt, lauschen den Tönen aus der Dunkelheit und Jasons großartigen Geschichten über großartige Wandertage. Nur die Großwildtrophäe, die sich Hemingway gerne um die Schultern legte, die ersetzen wir durch warme Schals.